Psychotherapie bei ME/CFS?
Zahlreichen Forschungsstudien der letzten Jahre (Quelle:
https://cfs-hilfe.at/me-cfs-forschung/ 15.8.2019) deuten
sehr stark darauf hin, dass es sich bei ME/CFS um eine organische Erkrankung handelt. Psychotherapie, v.a. die kognitive Verhaltenstherapie, hat sich laut
diverser Studienergebnisse als Behandlungsform bisher kaum bewährt, es wurde im Gegenteil sogar ein schädlicher bzw. zustandsverschlechternder Effekt
festgestellt.
Das Gesundheitssystem geht jedoch nach wie vor von einer hauptsächlich psychisch bedingten Störung aus und verlangt von Betroffenen, gleichgültig in welcher Krankheitsphase sie sich befinden, sich einer Psychotherapie zu unterziehen bzw. sich stationär in einer psychosomatischen oder ähnlichen Klinik behandeln zu lassen. Natürlich gibt es - im Sinne einer Komorbidität - in manchen Fällen behandlungsbedürftige psychische Erkrankungen.
Es scheint mir absolut notwendig, dass der Nutzen einer Psychotherapie stets gegen einen möglichen Schaden abgewogen werden sollte, daher wäre es sehr wichtig, dass sich TherapeutInnen gründlich in die Erkrankung ME/CFS einlesen. Die Besonderheiten der Krankheit zu verstehen, würde helfen, schwere Behandlungsfehler und damit Folgeschäden zu vermeiden.
Zunächst sei auf die vom Institut OHC (https://www.theoptimumhealthclinic.com/) beschriebenen 3 Krankheitsphasen bei ME/CFS verwiesen: http://www.secretstorecovery.com/wp-content/uploads/2014/06/stages-of-recovery.pdf (15.8.2019)
Man sieht, dass erst in der 3. Krankheitsphase (!), in welcher wieder mehr Energie vorhanden ist, tiefergehende
psychotherapeutische Interventionen empfohlen werden. Davor besteht ein solcher Energie- und Kraftverlust, dass Termine, Anfahrtswege, sogar das Sprechen selbst bzw. das Aufrecht-Sitzen massive
Zustandsverschlechterungen auslösen können. Andere als psychotherapeutische Hilfestellungen haben in der Akutphase meistens eindeutig Vorrang wie z.B. eine Haushalts- und Pflegehilfe, das
medizinische Abklären und Handhaben schwerer Symptome (Muskel-, Gelenksschmerzen, Schlafprobleme, neue Allergien und Unverträglichkeiten, massive Kreislaufstörungen, etc.)
Ein(e) Psychotherapeut(-in) sollte in der Lage sein, die Krankheitsphasen jeweils zu erkennen und beurteilen zu können, ob bereits genug Kraft und Energie für Termine und Gespräche vorhanden
sind, und gegebenenfalls entweder größere Intervalle der Therapiesitzungen vorschlagen bzw. eine Psychotherapie auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.
Für PsychotherapeutInnen, die ME/CFS-Betroffene begleiten möchten, könnte folgende einschlägige Literatur hifreich sein. (Wichtig ist, das Pacing-Konzept gut zu kennen um Hilfestellung und Anleitung zum Energiemanagement geben zu können sowie als Begleitung beim Annehmen der Erkrankung unterstützend da zu sein. Von dem Ziel einer Heilung durch Psychotherapie sollte Abstand genommen werden und dieser Druck darf auch nicht in den Patientenkontakt hineingetragen werden. Vielmehr geht es um eine prozessorientierte Begleitung einer schweren chronischen Erkrankung.):
zur Diagnostik von ME/CFS:
http://www.cfs-aktuell.de/Konsensdokument.pdf
Clinician’s Guide
https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/
zu Pacing, einem Energie-Management-Programm
http://www.cfs-aktuell.de/index-Dateien/Goudsmit.pdf
zur Vermeidung von PEM (Post Exertional Malaise)
zu den Krankheitsphasen bei ME/CFS
http://www.secretstorecovery.com/wp-content/uploads/2014/06/stages-of-recovery.pdf
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5369194/
Hinweise für PsychotherapeutInnen in der praktischen Arbeit
Psychotherapeutisch orientierte Behandlungen
Grundsätzliches zur Behandlung
The role of psychotherapy in the care of patients with ME/CFS
einige der deutschsprachigen Patientenorganisationen
Auf der Plattform http://www.bestnet.com/ unter "Services" --> "Online-Anfragen" gibt es die Möglichkeit für PatientInnen eine kostenfreie und anonyme Anfrage an die auf der
Plattform (österreichweit) registrierten PsychotherapeutInnen zu stellen. So könnte bei Bedarf ein(e) TherapeutIn in der nahen Umgebung gefunden werden, die/der eventuell bereit ist, sich vorab
in das Krankheitsbild gut einzulesen.